Aerobic mit Jane Fonda, Cyndi Lauper aus dem Walkman und strickende Jungs in der Deutschstunde – das waren noch Zeiten, die 80er! Aus Sicht der einen: die besten.
Punks und Popper trieben es bunt, die Grünen lernten laufen, und am Ende fiel nach fast drei Jahrzehnten die Berliner Mauer, das Symbol der deutschen Teilung und des Kalten Krieges. Andere bekommen eher das Frösteln, wenn sie an Kriegs- und Umweltbedrohungen und modische Sünden wie Lederkrawatte und Vokuhila-Frisuren (vorne kurz, hinten lang) denken.
Nostalgie in schwierigen Zeiten
Doch wie kommt es zum Revival von Kate Bush, Falco, Karottenhose und Co.? Trendforscher sehen dafür einige Gründe. Darunter den: Retro ist vor allem in Krisenzeiten populär. «Wir entwickeln eine Sehnsucht nach einer Zeit, in der zumindest gefühlt alles einfacher war – unabhängig davon, ob man die Zeit selbst erlebt hat oder nicht», sagt der Münchner Trendforscher Ulrich Köhler. Und unabhängig davon, ob frühere Zeiten tatsächlich besser waren.
Denn die 1980er Jahre waren alles andere als einfach. Nach Beobachtung von Eike Wenzel, Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung in Heidelberg, ist verbindend zum Heute eine Endzeitstimmung: Damals gab es den Kalten Krieg und Bewegungen wie Punk und No Future, heute gibt es den Ukraine-Krieg und Klimabewegungen wie Fridays for Future und Letzte Generation. Damals wie heute kam man zur Erkenntnis, dass Wachstum endlich sei. «Es sind politische und ökonomische Trends, die sich doppeln.»
Der Trendforscher und Kulturwissenschaftler sieht nach 40 Jahren Neoliberalität mit Schwerpunkt Selbstentfaltung eine Fokus-Verschiebung auf Selbsterhaltung und sagt: «Retro-Trends erscheinen dann, wenn die Gesellschaft eine Pause macht – vom Wachstum oder von der Modernisierung. Oder wenn eine Gesellschaft das Gefühl hat, dass sie nicht weiterkommt und dass allem Grenzen gesetzt sind. Das erleben wir im Moment.»
Netflix verfestigt Trend mit Song von Kate Bush
Da passt, dass viele Filme und Serien aus den 80er Jahren nach Beobachtung von Trendforscher Köhler die Sehnsucht nach der «heilen Welt» bedienen – nach intakter Familie, Freundeskreisen und einer klaren Aufteilung in Gut und Böse.
Dass gerade die 80er seit geraumer Zeit eine Renaissance erleben, ist nach Einschätzung des Heidelberger Forschers Wenzel von US-Serien und Streaming-Diensten befeuert worden. So erlebte die britische Sängerin Kate Bush ein unerwartetes Comeback: Ihr Lied «Running Up That Hill» aus dem Jahr 1985 kletterte im vergangenen Jahr in mehreren Ländern an die Spitze der Charts, nachdem es in der Netflix-Serie «Stranger Things» zu hören war. Dass die 80er wieder angesagt sind, bemerkte der Trendforscher spätestens, als sein 16-jähriger Sohn in der Dusche ein Remake von Kate Bush und andere Songs im Stil der Zeit hörte.
Warum die Musik der 80er so populär ist, könnte aus Sicht von Wenzel auch etwas mit androgynen Typen wie Annie Lennox oder David Bowie zu tun haben, die starre Rollenzuteilungen zwischen Mann und Frau aufweichten. «Junge Leute sind nun wie damals in fluiden Geschlechterzuschreibungen unterwegs.»
Gedanklich frei – ein anderes Lebensgefühl
Trends haben etwas mit Spaß zu tun. Sie wiederholen nicht einfach Geschichte. «Es ist in erster Linie eine ironische Anleihe», sagt Wenzel. So folgt Sängerin Pink dem an die 1980er Jahre angelehnten Retro-Wave-Trend, weil sie die Zeit in guter Erinnerung hat: «Die 80er haben so viel Spaß gemacht, so einfach ist das», sagte sie kürzlich bei der Vorstellung ihres neuen Albums. «Alles war gerade so ernst in der Welt.» Pink wollte ein bisschen Spaß haben und tanzen.
Mit der Erlebnisausstellung «Die 80er – Sie sind wieder da!» feiert das Badische Landesmuseum die Zeit (17. Juni 2023 bis zum 25. Februar 2024). 300 Exponate erinnern an das «vielleicht bedeutendste und ereignisreichste Jahrzehnt deutscher Nachkriegsgeschichte». Präsentiert werden neben Zauberwürfel, Game Boy und Ghettoblaster etwa der geblümte Helm der Grünen-Politikerin Petra Kelly von der Mutlanger «Promiblockade» gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen und eine Lederjacke von Scorpions-Sänger Klaus Meine, die er im September 1989 beim Auftritt in Moskau trug.
Museumschef Eckart Köhne findet an den 80ern bemerkenswert, wie verwandt vergangene und aktuelle Probleme sind. Insgesamt waren es für ihn sehr positive Jahrzehnte mit einem vorwärtsgewandten Sehen. «Man war offen unterwegs. Und man war gedanklich etwas freier. Es war ein anderes Lebensgefühl.»