Fühlen Sie sich manchmal gezwungen, mit etwas weiterzumachen, das Ihnen eigentlich schon lange keinen Spaß mehr macht? Etwas Neues zu lernen zum Beispiel, oder eine alte Freundschaft mehr oder weniger aus Pflichtgefühl aufrechtzuerhalten?
Oft wird Aufgeben als Scheitern angesehen, anstatt als Möglichkeit, in einem anderen Bereich etwas zu erreichen, sagt der Psychoanalytiker Adam Phillips, Autor des Buches «Über das Aufgeben». Wenn wir etwas aufgeben, das uns belastet oder unglücklich macht, schaffen wir Raum für neue, erfüllendere Dinge, die wir stattdessen machen können. Und das kann Phillips zufolge ein befreiender und gesunder Prozess sein.
Warum es okay oder sogar gut ist, aufzugeben
«Wir werden in dem Glauben erzogen, dass Ausdauer und Entschlossenheit etwas Gutes sind», so Phillips. Und das seien sie auch: «Wenn man Klavier spielen lernen will, darf man nicht einfach aufgeben, wenn es schwierig ist.» Andererseits dürfe und solle man sich ruhig fragen: Will ich wirklich Klavier spielen lernen? Oder mache ich es nur, weil ich halt nicht aufgeben will und quäle mich und rede mir selbst ein, dass ich es schon noch durchziehen werde?
«Genauso könnte es gut sein, Beziehungen oder Interessen aufzugeben, wenn man merkt, dass sie für einen nicht mehr lebendig sind. Aber die Menschen finden das extrem schwierig, weil wir nicht aufgeben sollen», so Phillips im Gespräch mit der US-Nachrichtenseite CNN. Doch im Theater seien die tragischen Helden die, die niemals aufgeben, «und indem sie niemals aufgeben, richten sie nur Chaos an».
3 Dinge, die beim Loslassen helfen können
1. Überlegen, ob man sich mit etwas oder jemandem gut fühlt: «Jeder hat eine andere Vorstellung von dem, was er will oder was ein gutes Leben ist», sagt Phillips. «Wenn es ein Kriterium oder einen Test gäbe, dann wäre das: Wie lebendig man sich durch etwas oder jemanden fühlt.»
2. Negative Gefühle aushalten: Wer etwa eine Gewohnheit aufgeben wolle wie Rauchen oder zu viel Alkohol, müsse sich zuerst fragen, warum er zum Beispiel trinkt. «Um das Trinken aufzugeben, müssen Sie möglicherweise herausfinden, wofür Ihr Trinken ursprünglich da war, wofür es die Lösung oder die Selbstheilung war. Das ist schwierig.»
Aufzuhören sei dabei der erste Schritt. Dann komme die Frage, wie man sich dadurch fühlt, und dazu könne es auch gehören, dass man es einem fehlt und man leidet – «nicht für immer, aber vorübergehend. Das muss man aushalten können, und man braucht ein wenig Unterstützung von anderen Menschen.»
3. Sich trauen, etwas auszuprobieren: «Man muss experimentieren», sagt der Psychologe. «Das Risiko besteht wahrscheinlich immer darin, dass man zu früh, zu schnell aufgibt – aber das andere Risiko ist, dass man zu lange braucht, um aufzugeben.»