Flakons, Fläschchen mit Ölen, große Kanister mit Duftstoffen, Heidelberger Druckmaschinen aus den 1950er Jahren, ein wunderbar altmodisches Botticelli-Logo und über allem eine üppige Duftwolke.
Wer die Karlsruher Räume von Parfümeur Roland Tentunian betritt, ahnt schnell, dass hier keine Fabrik wie jede andere residiert. Sondern eine Manufaktur, erzählt der 60-Jährige. Er ist einer von rund 50 Parfümeuren in Deutschland. Aber nach eigenen Worten einer von ganz wenigen, die sich ihr eigenes kleines Unternehmen aufgebaut, ihre eigene Marke kreiert haben.
Bei Roland Tentunian entstehen Düfte im Kopf
Seit fast 30 Jahren vermarktet er seine Düfte weltweit, verkauft sie bis nach Japan. Jedes Jahr kamen ein, zwei neue Düfte hinzu, sie entstehen in seinem Kopf wie Entwürfe für Gemälde, erzählt er. Ganz langsam hat er sich sein Business aufgebaut, zehn Mitarbeiter, ein Chef.
Seine Produkte füllt er mit seinen Angestellten selbst per Hand ab, druckt die selbst entworfenen Etiketten selbst, beklebt die Flaschen selbst und verpackt und verschickt selbst. Insgesamt eine ziemliche Ausnahme in der Welt der Parfümeure.
Normalerweise arbeiten laut dem Deutschen Verband der Riechstoff-Hersteller (DVRH) Parfümeurinnen oder Parfümeure zumeist für große Herstellerkonzerne aus der Duftstoffindustrie, die sich aber im Hintergrund halten.
«Zu ihren Kunden zählen viele renommierte Parfümhäuser, die ihre Kreationen später unter den Namen berühmter Modeschöpferinnen und Modeschöpfer sowie Musikstars vermarkten», erläutert eine Sprecherin. In Deutschland betrug der Umsatz mit Parfüm Zahlen des Verbands zufolge im vergangenen Jahr rund 1,7 Milliarden Euro.
Traditionelle Parfümeurkunst des 17. Jahrhunderts
Mit solchen Zahlen kann Tentunian naturgemäß nicht aufwarten, Details zu Umsatz oder gar Gewinn seines Unternehmens Florascent Duftmanufaktur nennt er nicht. Nur so viel: An seine Händler verkauft er im Jahr rund 30.000 Flakons.
Er hat seine Stammkunden – vor allem in Europa – nicht zuletzt auch wegen seiner ganz eigenen Duft-Philosophie, um die herum er sein kleines Duftreich bisher aufbaute: In seinen Parfüms sind keine synthetischen Duftstoffe enthalten, sagt er. Er orientiere sich bislang an der Tradition der traditionellen Parfümeurkunst des 17. Jahrhunderts. «Damals gab es einfach keine synthetischen Stoffe», sagt er.
Sein Werdegang führte ihn erst durch ein Chemiestudium, dann kurz in die Industrie, wo er Duftstoffe etwa für Waschmittel entwickelte und sich eine Art Klaviatur der verschiedensten Düfte und Aromen aneignete. In Deutschland gibt es laut dem DVRH keine geregelte Ausbildung zum Parfümeur. Berühmte Hochschulen gibt es hingegen in Frankreich.
Kreative Prozess findet größtenteils in Deutschland statt
Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Frankreich und Spanien der Schwerpunkt der Duftindustrie, «weil dort die notwendigen Rohstoffe wuchsen», so der DVRH. Das habe sich längst geändert. Durch die Möglichkeiten etwa der synthetischen Herstellung von Duftstoffen sei der Anteil von Deutschland enorm gewachsen. «Gerade die Erstellung der Kreationen, der kreative Prozess findet zu großen Teilen in Deutschland statt.»
Überhaupt sei Synthetik in der Parfümerie kein Schimpfwort mehr, sagt Duftkritikerin Marlene Waldthaler, die seit 2020 den Youtube-Kanal «Leni’s Scents» (etwa: Lenis Düfte) betreibt. «Sondern es gibt viele synthetisch erzeugte Noten, die einen besonders anziehenden Duft-Charakter haben und mittlerweile auch viel Einzug in die Mainstream-Düfte gehalten haben.»
Die Wahrnehmung von Düften in der Öffentlichkeit hat sich ebenfalls verändert, das merkt man auch an der zunehmenden Zahl sogenannter Parfüm-Influencer: Als prominentester Vertreter gilt Jeremy Fragrance, der in seinen Videos über Düfte spricht und sie beschreibt, mehr als zwei Millionen Fans folgen ihm auf seinem Youtube-Kanal. Aber es gibt auch kleinere Kanäle wie den von Waldthaler.
Interesse an besonderen Parfüms wächst
Verändert hat sich aus ihrer Sicht die Zielgruppe für High-End-Düfte, die mehr als 150 Euro kosten, erzählt sie. «Das Interesse an besonderen Parfüms ist mittlerweile auch bei der Jugend groß.» Inzwischen trügen auch 17-Jährige ikonische und sehr teure Düfte.
Waldthaler unterscheidet zwischen Mainstream-Marken, für die Parfüm eine Produkt von vielen in einem riesigen Portfolio mit Mode oder Make-up etcetera ist wie etwa Dior, Chanel oder Gucci. Oder dem Nischenmarkt, wo sich Marken auf Parfüm-Herstellung spezialisieren.
Tentunian passt da als Einzelkämpfer in keine Schublade und Parfüm-Influencer kennt er auch nicht. Er setzt weiter auf seine kleine, altmodische Manufaktur, will aber bald was ganz Neues ausprobieren. Gerade experimentiert er mit Duftölen aus Indonesien, die er sich im vergangenen Jahr zugelegt hat. Und er überlegt, ob er nicht eine neue Marke erschafft. Eine Marke, für die er Parfüms mit synthetischen Inhaltsstoffen kreiert.