Ein Leberfleck auf der rechten Wange, die Nase etwas nach links geneigt, der Wangenknochen auf der einen Seite minimal höher als auf der anderen: Kein Gesicht ist vollkommen symmetrisch.
Wenn es darum geht, welche unsere Schokoladenseite ist, spielen nicht nur solche Merkmale eine Rolle. Das Gehirn entscheidet mit, sagt der plastische und ästhetische Chirurg Joachim Graf von Finckenstein.
Wieso ist die linke Gesichtshälfte in der Regel die Schokoladenseite?
Joachim Graf von Finckenstein: Jeder hat eine dominante Gehirnhälfte, die mehr arbeitet als die andere. Das ist bei rund neunzig Prozent der Menschen die linke Seite. Das heißt auch, dass etwa ein Lächeln oder kleine mimische Bewegungen dort stärker zum Ausdruck kommen.
Viele gemalte Kunstwerke wie zum Beispiel die Mona Lisa, die Venus von Botticelli oder das Konterfei der Queen auf der Briefmarke zeigen die linke Gesichtshälfte, ebenso aber auch heute wohl unbewusst die meisten Selfies.
Womit hat es zu tun, dass viele Menschen sich auf Fotos nicht gefallen?
Finckenstein: Es ist ja so, dass man selbst in der Regel sein Spiegelbild sieht – ich sehe sozusagen im Spiegel nicht mein echtes Bild. Da Gesichter nie symmetrisch sind, sehe ich von mir ein anderes Bild als jemand, der mir gegenüber steht. Wenn ich auf einem Foto dann mein echtes Bild sehe, sage ich: Das entspricht doch nicht dem, was ich kenne!
Das ist der Grund, warum wir uns oft für unfotogen halten. Aber es gibt einen Gewöhnungsprozess. Wer viele Fotos von sich gesehen hat, gewöhnt sich an dieses Bild. Prominente, die dauernd Bilder von sich sehen, haben das Problem wahrscheinlich gar nicht mehr.
Was würden Sie als schönes Gesicht bezeichnen?
Finckenstein: Das ist wahnsinnig schwer zu beantworten, da Schönheit viel zu komplex ist, als dass sie in einem Satz zu erklären wäre. Was schön ist, ist im Allgemeinen bunt, jung und symmetrisch.
Das Bunte hat beim Gesicht weniger Relevanz, da dessen Farben begrenzt sind. Junge Gesichter sind meistens unverbraucht schön, alte Gesichter würde man eher als markant bezeichnen. Eine gewisse Symmetrie sollte gegeben sein. Was zu asymmetrisch ist, macht nicht an.
Das Wichtigste beim Gesicht aber ist seine Aura, seine Ausstrahlung. Ich habe die Erfahrung gemacht: Menschen, die eigentlich gar nicht so schön aussehen, können zu schönen Menschen werden, wenn sie etwas Bestimmtes machen. Ich kannte eine Studentin, die man wohl als graue Maus bezeichnen würde. Wenn die sich ans Klavier gesetzt hat, wurde sie zur schönen Frau.
Auch Edith Piaf war keine sehr attraktive Frau. Aber wenn sie gesungen hat, war sie von einer solchen Schönheit, dass ihr alle zu Füßen lagen. Das ist eine Schönheit, die nicht messbar ist.
ZUR PERSON: Joachim Graf von Finckenstein ist Facharzt für Plastisch-Ästhetische Chirurgie und leitet die Praxisklinik in den Seearkaden Starnberg. Er ist Autor des Buches: «Warum macht uns Schönheit so an?»