Wie eine Zeitreise zurück zur Jahrtausendwende wirken gerade viele Instagram-Profile namhafter Influencer. Auf Festivals blitzen «Whale Tails» hevor, also über dem Hosenbund sichtbare Tangas, die optisch an einen Walschwanz erinnern.
Wer es noch nicht gemerkt hat: Die Nullerjahre sind wieder da. Experten erklären, warum die globalen Trends dieser Zeit nicht als peinlich, sondern sogar als progressiv gelten.
«Ich trage meine Hosen tiefer denn je», sagt zum Beispiel Influencerin Stefanie Giesinger (26). Das «Baby Tee» – also ein über dem Bauchnabel endendes T-Shirt, superkurze Hüftröcke, schnelle Brillen, kleine Handtaschen und herausschauende Strings – «das beschreibt meinen Sommer-2022-Style auf den Punkt».
Neu interpretierte Looks aus den Nullerjahren
Giesinger bietet ihren rund 4,7 Millionen Followern auf Instagram fast täglich neu interpretierte Looks aus den Nullerjahren. «Wir als Gesellschaft sehnen uns nach Nostalgie, lassen uns von der Vergangenheit inspirieren», sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Ihre Einflüsse: andere Influencer, Models, Redakteurinnen und Fashionshows aus jener Zeit.
Auch Modehäuser wie Prada oder Balenciaga haben die Nachfrage nach den Nullertrends erkannt und deshalb etwa alte Handtaschen aus der Millennium-Ära neu aufgelegt. So gibt es aktuell Re-Editions ikonischer Prada-Taschen aus Nylon. Balenciaga interpretiert mit seiner «Le Cagole Small»-Umhängetasche den damaligen Stil neu.
Warum gibt es diese Rückkehr zu den alten Trends? «Moden verliefen bei den älteren Generationen immer in Wellenbewegungen», erklärt Generationsforscher Rüdiger Maas. Jedoch hätten sich Vertreter der Generation X – geboren zwischen 1965 bis 1980 – in Subkulturen wie den späten Hippies, Rockern oder Punks gegen ihre Eltern aufgelehnt. «Heute ist das anders, wir sprechen deshalb vom ,Neokonventionalismus‘. Das heißt, die Kinder übernehmen sehr viele Werthaltungen und Einstellungen von ihren Eltern.» Aktuell zeigten sich kaum Abgrenzungsbewegungen gegenüber der älteren Generation.
Trends verbreiten sich schneller und globaler
Gleichwohl gibt es bei der Gen Z – geboren zwischen 1995 und 2010 – einen wesentlichen Unterschied: «Es ist die erste Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist. Daher wird sie auch stark von digitalen Trends beeinflusst», sagt Maas. Tendenzen verbreiteten sich daher schneller und globaler. Man könne beobachten, dass Trends nun meist über das Internet beziehungsweise über Influencer gesetzt würden. Durch den Zugang zum Internet haben die jüngeren Generationen außerdem einen Wissensvorsprung: «Es lernen nun nicht mehr die Kinder von den Eltern, sondern Eltern lernen von ihren Kindern.»
Zusätzlich sei der Wohlstand in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg im Schnitt gewachsen. Heutzutage stehe ein riesiges Meer an Möglichkeiten offen. «Viele Luxusgüter, die sich frühere Generationen nur erträumen konnten, können sich die Angehörigen der Generation Z nun leisten oder per Klick bestellen», stellt der Generationenforscher fest.
Und hier kommt wieder die Jahrtausendwende ins Spiel: Sie stehe für ein neues digitales Zeitalter und technologischen Fortschritt, erklärt Mode-Expertin Cloudy Zakrocki. Mit der Rückkehr der Y2K-Zeit, also den Jahren nach dem Jahrtausendwechsel, schwinge «eine gewisse Nostalgie und auch Optimismus für die Zukunft mit».
Einflüsse der 2000er auch bei Musik und Fernsehen
Die globalen Trends der damaligen Megastars, der sogenannten «Noughties», gelten für sie heute «nicht als peinlich», sondern als progressiv. Damals sei es weniger darum gegangen, ernst genommen zu werden, sondern darum, sich auszuprobieren, meint Zakrocki. Das Revival der Nullerjahre zeige sich auch in anderen Bereichen der Kunst – etwa in der Erfolgserie «Euphoria».
Auch in Musikvideos aktueller Popstars wie Dua Lipa oder Harry Styles ist eine Hommage an die 2000er zu beobachten. Dies macht sich nicht nur optisch, sondern auch akustisch bemerkbar. «Auf Tiktok trenden gerade die alten Hits aus den Nullerjahren, oder auch neue Songs, die Samples von Nuller-Hits haben», sagt Alyssa vom DJ-Duo Alyssa & Gia. Als Beispiel nennt sie den US-Rapper Jack Harlow, der den Hit «Glamorous» der Sägerin Fergie von 2007 sampelte.
Die beiden Berlinerinnen Alyssa und Gia legen deshalb neben ihren eigenen Kompositionen aus House und Disco auch Songs der damaligen Zeit auf. Mit dabei sind «Toxic» von Britney Spears (2004) oder «Waiting For Tonight» von Jennifer Lopez (1999), aber auch deutsche Pop-Klassiker wie «Daylight In Your Eyes» von den No Angels (2001). Gia bringt es auf den Punkt: «Wenn man also 2000er-Songs auf Partys auflegt, macht man jung und alt happy.»